Oskar Kokoscha. Auf Reisen
Genau zehn Jahre ist es her, dass das Künstlermuseum Heikendorf die Ausstellung „Oskar Kokoschka – Paare“ präsentieren konnte. Ebenso wie die damals gezeigten Blätter stammen auch die nun vorgestellten Arbeiten aus der Sammlung und Kunststiftung Spielmann-Hoppe. Wir freuen uns sehr über diese Unterstützung und das Vertrauen der Sammler, denn einen der bedeutendsten Expressionisten des 20. Jahrhunderts in Heikendorf zeigen zu können, passiert nicht alle Tage.
Oskar Kokoschka wurde 1886 in Niederösterreich geboren und betätigte sich nicht nur als Maler und Zeichner, sondern schrieb auch Dramen, schuf Bühnenbilder und Kostüme und hielt viele kulturpolitische Vorträge. Er studierte an der Wiener Kunstgewerbeschule und war anfänglich von den Formen des Wiener Jugendstils begeistert. Doch schon bald verlor sich dieses Formenvokabular zugunsten einer expressionistischen Ausdrucks-weise. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm Kokoschka 1919 für sieben Jahre eine Professur an der Dresdner Akademie und von 1924 bis 1933 hatte er einen zweiten Wohnsitz in Paris. Als knapp 50-Jähriger ging Kokoschka 1934 ins Prager Exil, wo bereits seit 1918 seine Schwester lebte. Vier Jahre später flüchtete er vor den Diffamierungen der Nationalsozialisten nach Großbritannien. Ab 1953 bis zu seinem Tod 1980 lebte der Künstler in Villeneuve am Genfer See in der Schweiz.
Mit Adolf Loos, einem frühen Förderer des Künstlers, unternahm Kokoschka bereits 1908/09 erste Reisen nach Ungarn und in die Schweiz. Die Reiselust und das Interesse an unterschiedlichen Ländern und Landschaften, an verschiedenen Kulturen und Menschen begleiteten ihn sein ganzes Leben. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg unternahm er lange Studienreisen nach Deutschland und Italien, das er immer wieder besuchte, nach Südfrankreich, Spanien, Portugal, Holland, England, Irland und Schottland sowie Nordafrika und Ägypten, Jerusalem und Istanbul.
In dieser Ausstellung werden im Wesentlichen Kokoschkas Reiseeindrücke zwischen 1945 und 1974 vorgestellt. Seine lebhaften Zeichnungen, Skizzenbücher und Lithografien nehmen uns mit nach Italien und Griechenland, nach Marokko und Tunesien, in die Metropolen London und New York sowie nach Hamburg, Berlin und Israel. In den 1960er-Jahren schuf er mit schnellem Strich beispielsweise seine Lithografie-Folge „Manhattan“, die deutlich zeigt, wie sehr ihn die hochaufragende Architektur der amerikanischen Metropole faszinierte. Ganz andere Eindrücke zeichnete er in Nordafrika: Dort interessierten den Künstler die Märkte, die Kamele und die Menschen, also das bunte Treiben. Die 19 Lithografien „Bekenntnis zu Hellas“ sind dagegen eher als ein Appell zu verstehen, die Freiheit als Lebensprinzip zu wählen. Nicht ohne Grund sind die Figuren und Statuetten dieser Folge wie lebendige Menschen dargestellt. Die meisten ausgestellten Blätter sind schwarzweiß oder rötlich gehalten, aber es gibt auch einige Farbstiftzeichnungen wie die hier abgebildete Skizze des Florentiner Domes von 1972. In Italien sind es besonders Stadtansichten, Landschaftseindrücke und berühmte Kunstwerke, die Kokoschka zu Zeichnungen anregten.
Für den reiselustigen Künstler waren seine Werke immer auch zeitge-schichtliche Dokumente, denn er war sich ganz sicher, dass die Welt nie wieder so sein wird wie in diesem gerade von ihm festgehaltenen Moment.
v. l. n. r.: Oskar Kokoschka: Skizze aus Florentiner Skizzenbuch, 1972; Kamelmarkt II, 1965/66; Tower Bridge III, 1967; Manhattan II, 1966
Bildrechte: © Fondation Oskar Kokoschka/VG Bild-Kunst, Bonn 2021